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DER GEMEINSAME DEMOKRATISCHE STAAT
Theresa Wolfwood

Als Yoav Bar seinen Zuhörern im Beit-Zatoun-Kulturzentrum in Toronto sagte, dass er aus Haifa, Palästina, komme, wussten wir, dass wir etwas Neues und Hoffnungsvolles hören würden, etwas das den Regionen Israels und Palästinas Westbank Frieden und Demokratie bringen würde. Der gemeinsame demokratische Staat „One Democratic State“ (ODS) sei die einzig realistische und mögliche Lösung der gegenwärtigen Situation, die geprägt ist durch Unsicherheit und Ungerechtigkeit. Bar erläuterte, dass es bereits einen Staat geben würde: einen illegalen, rassistischen, undemokratischen  Staat, der durch die  Besatzungsarmee der israelischen Regierung beherrscht würde.

mapsDie Aufgabe sei nunmehr, diesen demokratisch zu planen und gestalten. Die Vision sei klar, ein Blick auf die Landkarte genüge. Es könne keine Zweistaatenlösung geben für eine Region, in der drei Millionen Palästinenser Tag für Tag in Areale abgedrängt werden, die durch die Kolonialmacht von fast acht Millionen Menschen umgeben sind. Das sei keine Lösung und würde, wie Bar anführt, auf Unterdrückung sämtlicher Völker im Nahen Osten basieren und die Strategie  der ethnische Säuberung dauerhaft fortsetzen.

Bar vertritt die Auffassung, dass die Schaffung eines gemeinsamen demokratischen Staates (ODS) das Recht auf Rückkehr für all jene Palästinenser und deren Nachkommen beinhalte, die seit 1948 im Exil leben. Das Rückkehrrecht müsse allen gewährt werden, jedoch glaubt Bar, dass nicht alle zurückkehren würden; die Vision eines gemeinsamen demokratischen Staates setzt die Planung einer Infrastruktur für die Rückkehr voraus.

Artikel 13 der UN-Menschenrechtscharta, die von Kanada und vielen Ländern ratifiziert wurde, verankert das Recht aller Exilierten auf Rückkehr in ihr Heimatland.

Der jetzige Staat Israel wurde vor über 100 Jahren durch Zionisten geplant, und zionistische Siedler begannen sich vor 100 Jahren in Palästina niederzulassen mit der verdeckten und später offenen Unterstützung der Großmächte in Europa und Nordamerika. Diese Mächte fördern für zahlreiche Länder ein Maß an Demokratie, um einen gewissen Grad an Stabilität zu schaffen, was zwar die Ausbeutung von Ressourcen zulässt, insbesondere Öl, jedoch wird so die Demokratie im Nahen Osten weiterhin vernachlässigt.

Zurzeit gibt es in vielen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas starke Kräfte, die einen Wechsel anstreben. Diese Kräfte sind auch in Palästina aktiv, und Tag für Tag mobilisieren neue Ideen und Visionen weltweit den Wandel. Yoav Bar zufolge wird der Zionismus als inakzeptabel und international geltende Normen widersprechend bewertet werden, sofern die demokratischen Kräfte (das schließt ökonomische Demokratie ein) und das Recht auf Rückkehr stärker werden. Bar berichtete, dass bereits einige Parlamentsmitglieder Israels sowie der Palästinensischen Nationalautorität die Ziele des gemeinsamen demokratischen Staates akzeptiert hätten. Zahlreiche soziale Bewegungen und Aktivisten würden sich ebenfalls für den gemeinsamen demokratischen Staat einsetzen.

Andere Solidaritäts- und Bürgerbewegungen, wie Boykottgruppen oder Organisationen, die Palästinenser verteidigen gegen Haus- und Landzerstörung sowie -raub, werden von Yoav Bar gebeten, den gemeinsamen demokratischen Staat in ihre Ziele einzubinden. Er führte weiter aus, dass sich zahlreiche Aktivisten in der breiten Öffentlichkeit Tag für Tag für diesen Kampf engagieren; die Vision des gemeinsamen demokratischen Staates gebe ihnen Stärke und Hoffnung. Eine spezielle Bewegung würde sich ebenfalls für den gemeinsamen demokratischen Staat einsetzen, und andere Gruppierungen würden zunehmend davon erfahren und ihre Unterstützung gewähren.

BarBar ist ein Mann der leisen Töne, der Fragen, wie es ihm als israelischen Dissidenten und Juden selber gehe und wie er behandelt würde, abtut und stattdessen die Frage nach den Palästinensern in den Vordergrund stellt. Nachforschungen ergeben jedoch, dass er für sein gewaltfreies Engagement misshandelt und inhaftiert wurde. Später erfuhren wir, dass er bei seiner Einreise nach Kanada festgesetzt und einer Befragung unterzogen wurde. Er ist Mitglied verschiedener Basisbewegungen, um den gemeinsamen demokratischen Staat zu realisieren und hat mitgeholfen, den Protestmarsch „March of Return – Masirat al-Awda “ in Galiläa seit dessen Beginn im Jahr 1996 zu organisieren. Er war in der „Anti-Apartheid Bewegung“ innerhalb Israels aktiv. Zurzeit arbeitet er daran, die Initiative des gemeinsamen demokratischen Staates zusammen mit zahlreichen Partnern voranzutreiben. Er half bei der Organisation der Haifa-Konferenzen zum ODS: für die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und für einen demokratischen säkulären Staat sowie Konferenzen in Jaffa, Bethlehem, London und München.

Die vorrangige Aufgabe ist es nun, national und international Informationen über die Bedeutung und die Notwendigkeit des gemeinsamen demokratischen Staates zu verbreiten; Yoav Bars Gruppe arbeitet zusammen mit palästinensischen Aktivisten und Gruppen, auch mit Mazin Qumsiyeh (Autor von „Popular Resistance in Palestine: A History of Hope and Empowerment.“ 2010. Pluto Press. London, GB. www.bookreviews.bbcf.ca/?s=Mazin+Qumsiyeh) sowie mit internationalen Aktivisten, die den gemeinsamen demokratischen Staat unterstützen wollen. Im Mai 2013 wird in Stuttgart eine Konferenz zum ODS stattfinden.


Die gängige Meinung über Palästina ist pessimistisch, das macht jedoch Hoffnung und Aktion zunichte. Einige akzeptieren die Chance eines gemeinsamen demokratischen Staates, aber nur wenige verfolgen aktiv dieses Ziels. Yoav Bars Reise nach Kanada hat bei seiner Zuhörerschaft großes Interesse und Hoffnung geweckt, auch bei einem palästinensischen Freund aus Jordanien, der sich zur selben Zeit in Toronto aufhielt. Bar fordert überall Partner auf, für den gemeinsamen demokratischen Staat zu arbeiten. Nach seiner ergreifenden Rede im Beit-Zatoun-Kulturzentrum wurde eine neue Arbeitsgruppe für dieses Ziel gebildet.

Fuer weitere informationen ueber ODS:  http://freehaifa.wordpress.com/  und  informationen ueber die gruppe in Toronto:  www.beitzatoun.org